Alles Lernen nützt nicht viel, wenn die Lernkultur im Unternehmen das Anwenden und Ausprobieren nicht fördert. Darum gibt es hier praxisnahe Tipps, wie Sie die Lernkultur verbessern. Heute: Tipp 1-3
Unter den Verantwortlichen für das Talentmanagement und das Lernen in Unternehmen hat sich die Gewissheit durchgesetzt, dass sich die Art und Weise, wie Mitarbeiter lernen, aktuell rasant verändert und weiter mit einem in der Vergangenheit nicht gesehenen Tempo wandeln wird. Die Vielzahl der Entwicklungen, die teilweise auch noch nicht genau zu bestimmen sind, lassen sich in drei übergeordnete Stoßrichtungen zusammenfassen:
- Die starre räumliche, zeitliche und organisatorische Trennung von produktiver Arbeitszeit und „unproduktiver”, gleichsam aber als Investition notwendiger Lernzeit wird überwunden; Lernen wird zunehmend als eine Facette der Arbeit selbst verstanden und in den Arbeitsprozess einbezogen.
- Neue Lernformen und -formate entstehen, sowohl im digitalen Lernen als auch innerhalb von Präsenzveranstaltungen; selbstgesteuertem, informellem und sozialem Lernen kommen dabei Schlüsselfunktionen zu.
- Technologie und Big Data unterstützen das Lernen, indem sie insbesondere helfen, Lernangebote zu individualisieren und kontinuierlich zu verbessern.
Auch wenn diese Stoßrichtungen inzwischen breiter Konsens innerhalb der Fach-Community sind, sehen sich viele Lernverantwortliche in Unternehmen blockiert und außer Stande, entscheidende Schritte in die sich abzeichnende Richtung zu gehen: Budgetäre Limitationen, komplexe technische Restriktionen, Datenschutzanforderungen, betriebliche Mitbestimmung und die mangelnde Aufgeschlossenheit von Führungskräften wie Mitarbeitern neuen Ansätzen des Lernens gegenüber werden vielfach als Gründe hierfür angeführt.
Vor diesem Hintergrund sollen sieben Schritte umrissen werden, mit denen Lernverantwortliche mit minimalem Budgeteinsatz und innerhalb der gegebenen Rahmenbedingungen dennoch entscheidende Impulse zur Weiterentwicklung des Lernens setzen können.
Abbildung 1: Überblick zu den Maßnahmen
1) Walk the talk: Eigenes Lernen reflektieren und weiterentwickeln
Um als glaubwürdige Botschafter einer sich wandelnden Lernkultur auftreten zu können, muss es der erste Schritt sein, dass Lernverantwortliche ihr eigenes Lernen kritisch reflektieren: In welchem Maße haben wir selbst eigenverantwortliches, kontinuierliches Lernen in all seinen Spielarten zum selbstverständlichen Element unserer eigenen Arbeit gemacht? Die eigenen Lernbedarfe und –vorhaben im Talentmanagement-Team explizit zu machen, neue Wege (Formate, Methoden, Angebote) zu erproben und das eigene Lernen in Diskussionen und internen wie externen Sozialen Netzwerken transparent zu machen, schafft Glaubwürdigkeit, ermutigt andere und setzt weitreichende Impulse.
2) Verbündete gewinnen: Wichtige Akteure sensibilisieren und einbeziehen
Die Lernkultur im Unternehmen ist keine klare Zuständigkeit; sie entzieht sich dem direkten Zugriff und kann sich überhaupt nur im Zusammenwirken unterschiedlichster Akteure fortentwickeln. Sowohl das Top-Management als auch die Führungskräfte, die Unternehmenskommunikation, das IT-Department und nicht zuletzt der Betriebsrat spielen entscheidende Rollen. Diese Stakeholder sollten dafür sensibilisiert werden, dass sich das Lernen verändert und welche Rolle sie dabei spielen, diese Veränderung aufzugreifen und im Sinne der Unternehmensziele mitzugestalten. Gerade didaktische Konzepte erweisen sich dabei häufig als zu abstrakt und vermeintlich „weich“, um ihre strategische Bedeutung angemessen zu vermitteln. Es hat sich hingegen häufig bewährt, im vertraulichen Gespräch mit solchen Stakeholdern anhand einfacher Fragen zu reflektieren, wie diese Entscheider heute lernen und mehrheitlich ihr eigenes Lernverhalten längst – häufig ohne sich selbst dies klar zu machen – weiterentwickelt haben. Solche Fragen könnten sein:
- Was sind Ihre prägendsten Lernimpulse der letzten Jahre gewesen?
- Was hat diese Lernerfahrungen ausgezeichnet und warum waren sie prägender als andere?
- Wenn Sie sich heute vornehmen würden, in Ihrer Freizeit etwas zu lernen, zum Beispiel das Segeln, und einen entsprechenden Segelschein machen wollten, wie würden Sie das angehen?
- Wie würde sich diese Herangehensweise von derjenigen unterscheiden, die heute unseren Lernangeboten im Unternehmen zu Grunde liegt?
- Wie und in welchem Maße können wir diese Kluft schließen und zu intuitiveren Lernformen auch im beruflichen Kontext kommen?
3) Bestehendes sichtbar machen: Innovative Lerninitiativen aufspüren und fördern
Die sich abzeichnenden Entwicklungen des Lernens sind intuitiv und in diesem Sinne vielen Mitarbeitern nicht neu. Deshalb wird es vermutlich eine Anzahl durchaus richtungweisender Lerninitiativen von Mitarbeitern schon geben. Dies kann der selbstorganisierte Chat-Austausch der Azubis, der halbinstitutionalisierte Austausch von Experten zu ihrem Thema oder die Praxis von Führungskräften sein, regelmäßig interessante Web-Inhalte (zum Beispiel Youtube-Videos, TED-Talks, Blog-Einträge) mit ihrem Team zu teilen.
Anstatt den Wandel an Mitarbeiter mit hohem Kommunikations- und Überzeugungsaufwand heranzutragen, sollten diese Initiativen aufgespürt, als Leuchttürme sichtbar gemacht und gefördert werden. So können solche Initiativen zum Beispiel mit einem eigenen Logo als „Marke“ für die sich verändernde Lernkultur kenntlich gemacht, mit minimalem Budget-Einsatz unterstützt (zum Beispiel Bereitstellung von attraktiven Räumlichkeiten, Catering) und durch interne Kommunikation zur Nachahmung empfohlen werden.
Die Tipps 4 bis 7 finden Sie im zweiten Teil dieser Reihe.
Autoreninfo: Dr. Thomas Tillmann ist Experte für Corporate Learning und unterstützt als Unternehmensberater Konzerne dabei, ihre Lernangebote strategischer auszurichten, effektiver und effizienter zu gestalten und insbesondere die Möglichkeiten der Digitalisierung des Lernens einzubeziehen. Nach mehreren Jahren bei McKinsey & Company hat er 2006 abc tillmann gegründet. In seiner Arbeit kombiniert er Methoden der klassischen Strategieberatung mit agilen Ansätzen.
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