In der Personalauswahl und -entwicklung werden Persönlichkeitstests gern eingesetzt. Aber was bringen sie wirklich? Was kann man daraus ablesen und wofür setzt man sie am besten ein?
Im Rahmen des Talentprogramms, das ich in den letzten Monaten durchlaufen durfte, kam ich in den Genuss verschiedenster Tests zu Persönlichkeit und Verhalten. Diese möchte ich hier kurz vorstellen.
Gallup Test der CliftonStrenths®
Dieser Test folgt dem Ansatz, Stärken zu stärken und besser zu nutzen, anstatt an Schwächen herumzudoktern. Aus 34 möglichen Stärkenbereichen erhält der Teilnehmer seine Top 5 – und umfassende Infos, wie er diese in der Zukunft noch besser und bewusster nutzen kann. Egal, ob die persönlichen Stärken eher in Communication, Empathy, Ideation oder Responsibility liegen, jede Dimension ist im zugehörigen Buch ausführlich beschrieben mit Beispielen, Handlungsempfehlungen und Hinweisen zur Zusammenarbeit. Für die Teamarbeit habe ich da über meine Kollegen wenig Anhalte gefunden, aber die Selbstreflektion über diese positive und unterstützende Art und Weise funktioniert prima. Hauptfrage ist also: Wie kann ich aus meinen tollen Stärken noch mehr herausholen?
Insights® Discovery
Über Einstellungen sowie Verhaltenspräferenzen ordnet der Test jeden Teilnehmer verschiedene Energietypen zu, die mit den Farben rot, gelb, grün und blau kodiert sind, ganz ähnlich auch dem DISG-Modell. Je nach Ausprägung dieser vier Farben ergeben sich dann 72 verschiedene Persönlichkeitstypen. Toll fand ich vor allem die unglaublich ausführliche Beschreibung zu meinem individuellen Profil, die auf sehr viele Bereiche detailliert eingeht. Sehr gewinnbringend war es dann auch, gemeinsam mit den Teammitgliedern die Ergebnisse zu diskutieren. Da habe ich so manches Verhalten von mir selbst und von anderen im Nachhinein viel besser verstanden.
Belbin® Team Roles
Dieser Test gibt darüber Aufschluss, welche der neun Rollen und Funktionen man in einem Team am stärksten ausfüllt, zum Beispiel Co-ordinator, Finisher oder Specialist. Im Mittelpunkt steht also die Frage, was man selbst zu einer erfolgreichen Teamarbeit beitragen kann. Auch hier gibt es eine Eigen- und eine Fremdbewertung. Gerade wenn sich zwischen beiden Gaps auftun, ist es spannend herauszufinden, woran das liegt und wie man sein Team in der Zukunft vielleicht noch besser unterstützen kann. Und auch im Team lohnt sich die Diskussion, denn man benötigt natürlich eine möglichst gute Mischung aus verschiedenen Rollen. Wenn alle nur Ideengeber sind, aber keine Implementer oder Finisher dabei sind, kann es schwierig werden, über die Konzeptionsphase hinaus zu gelangen.
MUSIC intercultural profile®
Dieser Test stuft die Teilnehmer in den Dimensionen Machtempfinden, Unsicherheitstoleranz, Zeitempfinden, Gruppen-/Individualorientierung sowie Kommunikationsstil ein. Die Bewertung erfolgt dabei jeweils auf einer dichotomen Skala. Die Bewertung gibt einen guten Anhalt über die kulturelle Prägung, die man besitzt. Sie macht auch deutlich, dass Menschen anderer Kulturkreise durchaus deutlich anders ausgerichtet sind, als man selbst. Zur Sensibilisierung fand ich den Test gut, in der Praxis habe ich ihn dann aber nicht mehr herangezogen, da er wenig Handlungs- oder Veränderungsimpulse bietet.
Wie nutzt man diese Tools am besten?
Für mich persönlich habe ich diese Testverfahren immer als sehr wertvoll empfunden. Sie halten dem Teilnehmer einen Spiegel vor und bieten eine hervorragende Grundlage für die Selbstreflektion. Bin ich wirklich so? Wie empfinde ich mich selbst? Kann es sein, dass ich auf andere vielleicht ganz anders wirke? Warum ist das so?
Auf Grundlage dieser Ergebnisse kann man seine eigenen Gedanken dann auch prima mit anderen diskutieren, zum Beispiel mit dem Partner oder der Familie, mit Freunden oder Kollegen, mit dem Vorgesetzten oder einem Coach. So setzt sich nach und nach ein immer umfassendes Bild über einen selbst zusammen, dass viele verschiedene Perspektiven beinhaltet.
Ich kann mir also gut vorstellen, diese Tools als Hilfestellung in der Personalentwicklung einzusetzen, da sie durchaus großen individuellen Nutzen entfalten können.
Von der Außenperspektive her gesehen, also auf die Aussagekraft für einen Außenstehenden bezogen, würde ich die Nutzbarkeit als eher gering einschätzen. Denn möchte man diese Verfahren zum Beispiel zur Personalauswahl benutzen, muss ja immer eine Bewertung damit einhergehen. Dann muss im Vorfeld entschieden werden, welche Ausprägungen der jeweiligen Fähigkeiten man ins Unternehmen holen möchte, welche man als gut und welche man als schlecht einschätzt. Und das halte ich für sehr schwierig und nicht zielführend. Denn gerade Unterschiedlichkeit und Diversität führen letztlich zu guten Teams und exzellenten Ergebnissen. Es ließe sich allenfalls bei bestehenden Teams prüfen, ob die Durchmischung groß genug ist, oder ob bestimmte Fähigkeiten oder Typen in der Gruppe noch fehlen.
Fazit: Fachwissen kann man für das Recruiting testen und bewerten. Persönlichkeit kann man zu einem gewissen Teil testen, von der Bewertung würde ich aber die Finger lassen.
4. November 2017 um 18:26
Zur Frage “Wie nutzt man diese Tools am besten?” gerne meine Antwort: “Am besten gar nicht – zumindest nicht im Kontext der Personalauswahl und Personalentwicklung.
Warum? Weil der Anforderungsbezug fehlt. Stattdessen sollten Sie auf anforderungsbezogene Instrumente wie KOMPETENZEN setzen – nur schon wegen der prognostischen Validität. Mehr dazu auf dieser Seite: https://kompetenzen.li
Im Gegensatz zu den von Ihnen erwähnten Persönlichkeitstests, welche teils auf Typologien und veralteten Erkenntnissen beruhen, handelt es sich bei KOMPETENZEN um eine (strikt anforderungsbezogene) Potenzialanalyse mit empirischer Basis (Siehe FAQs – https://kompetenzen.li/faqs-haeufig-gestellte-fragen/).
Es geht dabei nicht darum, (für welchen Zweck auch immer) die Persönlichkeit auszuleuchten, sondern (im Hinblick auf die Wahrnehmung/Ausübung einer bestimmten Funktion) anforderungsbezogene Stärken und Schwächen (bezüglich eines geforderten Verhaltens oder Rollenwahrnehmung) darzustellen und Anregungen zur Optimierung und Verbesserung der in Frage stehenden Kompetenzen anzubieten.
Nicht anforderungsbezogene Tests erkennen Sie an den nicht anforderungsbezogenen Items / Fragen. Diese liefern im Zusammenhang mit der Auswahl und Entwicklung von Mitarbeitenden nicht oder wenig relevante Informationen, egal wie interessant diese vordergründig auch erscheinen mögen.
Interessant ist hingegen auch, dass KOMPETENZEN dem Coach/Berater gleich auch einen kandidatenspezifischen Interviewleitfaden zur Verfügung stellt – für gute und ergiebige Fragen.
Herzliche Grüsse
René Anderegg, lic.oec.HSG